Wie steht es um die intelligente Automatisierung Ihrer Geschäftsprozesse? Denken Sie auch, dass mit der Integration von Robotic Process Automation (RPA) das Ende der Fahnenstange erreicht ist? Dann lassen Sie uns mit einem wichtigen Missverständnis aufräumen. RPA ist gut und wichtig – aber die Technologie markiert nur den Beginn des intelligenten Automatisierungsprozesses. Bei genauer Betrachtung müssen wir feststellen, dass deutsche Unternehmen mit RPA gerade einmal die erste Stufe hin zu vollständig automatisierten Abwicklung von schriftbasierten Abläufen genommen haben. Die intelligente Automatisierung von Geschäftsprozessen führt drei Schritte weiter – wie das 4-Stufen-Modell von Horváth & Partners aus der Studie „Next Generation Process“ veranschaulicht.
Das 4-Stufen-Modell zur intelligenten Prozessautomation
Insgesamt 180 Entscheidungsträger aus zwölf Branchen im Wirtschaftsraum D-A-CH hat Horváth & Partners befragt, um den Stand der intelligenten Automatisierung in deutschen Unternehmen zu ermitteln. Wie weit und wie tief sind Unternehmen hierzulande automatisiert? Welche Bedeutung hat die Automatisierung für sie? Und wie hoch ist das durch die jeweilige Technologie erreichte Einsparpotenzial? Eine zentrale Erkenntnis der Studie „Next Generation Process Automation“: Wir haben es aktuell mit vier Automatisierungstechnologien zu tun. Sie unterscheiden sich durch ihren Automatisierungsgrad, die eingesetzte Künstliche Intelligenz und die Komplexität ihrer Prozesse.
Erste Stufe: Robotic Process Automation (RPA)
Robotic Process Automation (RPA) steht nach Horváth & Partners auf der ersten Stufe der intelligenten Automatisierung. Eine wichtige Technologie, denn über ihren Einsatz lässt sich die große Masse an Routineprozessen automatisieren. Doch von Künstlicher Intelligenz (KI) kann bei dieser Technologie noch nicht die Rede sein. Der wesentliche Unterschied: RPA-Software führt wiederkehrende Aufgaben nach klar definierten Regeln durch, insbesondere die Prüfung von Daten. Zuverlässig, schnell und effizient zwar, aber auch mit klaren Grenzen. RPA-Software ist nicht in der Lage mit unstrukturierten Daten zu arbeiten, Situationen zu analysieren und Entscheidungen zu treffen. Doch erst hier beginnt Künstliche Intelligenz. Immerhin: Über den Einsatz von RPA-Software z.B. bei Bestellvorgängen, der Prüfung von Anträgen und Kaufverträgen erreichen Unternehmen ein Einsparpotenzial von 25 Prozent. Das haben deutsche Entscheider erkannt: Drei Viertel der von Horváth & Partners befragten Unternehmen nutzen die Technologie mit Erfolg.
Zweite Stufe: Cognitive Automation
Doch geht es um den Umgang mit unstrukturierten Daten und Prozessen, die klar definierten Regeln nicht mehr folgen, müssen Unternehmen ihren Automatisierungsgrad vertiefen. Hier kommt Machine Learning (ML) ins Spiel – eine Technologie, die komplexere Prozesse automatisiert. ML-Software erkennt Daten in Bildern, in gescannten Dokumenten und unstrukturierten Nachrichten wie E-Mails. Wird sie mit historischen Daten trainiert, z.B. Kundenvorgängen aus der Praxis, treffen ihre Algorithmen in Kombination mit RPA-Software Entscheidungen, die zuvor der Mensch fällen musste. Dazu gehören Produktempfehlungen an Kunden, die Erstellung von Diagnosen und Unterstützung im Qualitätsmanagement. Wie hilfreich Cognitive Automation - die zweite Stufe der intelligenten Automatisierung – ist, haben deutsche Unternehmen erkannt: Drei Viertel der Unternehmen wenden diese erste Stufe Künstlicher Intelligenz an, 88 Prozent der befragten Unternehmen planen kurz- oder mittelfristig einzusteigen.
Dritte Stufe: Digital Assistants
Weitaus weniger Erfahrung haben deutsche Unternehmen mit der dritten Stufe der intelligenten Automatisierung: den Digital Assistants. Nur 29 Prozent der von Horváth & Partners befragten Unternehmen arbeiten bis dato mit Digital Assistants, aber 75 Prozent haben es vor. Damit befindet sich auch diese Technologie zur intelligenten Automatisierung von Geschäftsprozessen ganz klar im Aufschwung. Digitale Assistenten basieren auf Natural Language Processing (NLP)-Software. Das heißt: Sie erkennen die gesprochene und geschriebene Sprache und besitzen die Kompetenz, die enthaltenen Informationen zu verstehen. Sie extrahieren relevante Daten, bearbeiten diese weiter und wirken wie ein Bindeglied zwischen Mensch und System. Ihre Assistenz beginnt bei der Terminfindung und reicht bis zur Unterstützung von komplexen Kundenprozessen.
Vierte Stufe: Autonomous Agents
Die höchste Stufe der intelligenten Automatisierung ist erreicht, wenn intelligente Software eigenständig handelt und Prozesse initiiert. Die Autonomous Agents assistieren nicht mehr nur, sie treffen eigene Entscheidungen und steuern Prozesse weitgehend ohne menschliche Einwirkung. Möglich machen es sogenannte Machine Learning Mechanismen. Das zentrale Motto hinter diesem Verfahren heißt „learning by doing“. Nach einer Trainingsphase erweitert ML-Software ihr Wissen durch die Praxis, im Wesentlichen durch menschliche Aktivitäten. Gelingt die Symbiose von Maschine und Mensch, kann hier ein intelligenter Kreislauf entstehen. Schneller und präziser als jeder Mensch es könnte, liefert die Maschine (die Software) die notwendige Informationen und Ergebnisse sowie erwünschte Analysen zu. In kürzester Zeit bearbeitet sie wahre Datenmassen, was sie im Bereich der Predictive Analytics unersetzlich machen wird.
Stößt die Software an ihre Grenzen, weil etwa ein Dialog zu komplex ist, kommuniziert sie dies an die Mitarbeiter. Die justieren nach, daraus lernt die Software für ähnliche Fälle in der Zukunft und wird so immer intelligenter. Die wenigsten Unternehmen haben den unschätzbaren Wert dieser vierten Stufe der intelligenten Automatisierung wirklich erfasst. Erst zwei Prozent der deutschen Unternehmen arbeiten bisher mit Autonomous Agents, weitere drei Prozent testen das komplexe Software System aus. Das wird sich für viele Unternehmen ändern müssen, wollen sie international wettbewerbsfähig bleiben.
Fazit: Intelligente Automatisierung - weit mehr als RPA
Dass die intelligente Automatisierung von Geschäftsprozessen zu den heute wichtigsten Herausforderungen von Unternehmen gehört, ist mittlerweile Konsens. Doch wie groß ist das Wissen darüber, ab wann ein Prozess intelligent automatisiert ist? Mir scheint, hier ist Aufklärungsarbeit dringend nötig. Wie die Ergebnisse von Horváth & Partners zeigen, arbeitet die große Mehrheit der deutschen Unternehmen aktuell ausschließlich mit Robotic Process Automation (RPA) Software. Für standardisierte Prozesse bietet sie ohne Zweifel ein großes Einsparpotenzial. Doch was ist mit den vielen nicht standardisierten Prozessen und den vielfältigen nicht strukturierten Daten? RPA-Software ist vergleichbar mit Industrierobotern aus den achtziger Jahren, darüber sollte man sich im Klaren sein. Die intelligente Automatisierung von Geschäftsprozessen beginnt erst mit den Stufen: Cognitive Automation, Digital Assistants und Autonomous Assistants. Mit welchen dieser Technologien Unternehmen arbeiten sollten, kann nur individuell beantwortet werden. Sicher ist jedoch: Die Königsklasse der intelligenten Automatisierung ist in Deutschland noch Zukunftsmusik. Und das sollte keinesfalls so bleiben.