Keine Frage: Wissensarbeiter (neudeutsch: Knowledge Workers) machen den geistigen Kern jedes innovativen Unternehmens aus. Für Wissensarbeiter gehört es oft zur Lebensaufgabe, ihre Begeisterung und Ideen innerhalb des Unternehmens erfolgreich nutzbar zu machen. Und da Analysten schon seit Jahren einen drohenden Mangel an Fachkräften prophezeien, wachsen die Bemühungen der Unternehmen: Im Kampf um die Besten (neudeutsch: War for Talents) gehen Recruiter zuweilen ganz neue Wege, um diese Talente für ihr Unternehmen zu gewinnen.
Soweit gut. In der Realität ist es allerdings ziemlich enttäuschend, wie wenig Knowledge Worker im Arbeitsalltag tatsächlich mit herausfordernden Denk- und Kreativaufgaben verbringen. Stattdessen kämpfen sie mit Medienbrüchen und der Überbrückung von Systemgrenzen in den Kernabläufen der Organisation. Ein typisches Beispiel: Prozesse werden über mehrere Kommunikationswege und Systeme abgewickelt. Dazwischen schaufeln Mitarbeiter Fachdaten täglich manuell hin und her. Im Kleinen (Inhalte einer E-Mail ins CRM tippen) wie im Großen (Auftragseingang vom ERP ins führende Kundendatensystem übertragen). Knowledge Worker merzen häufig die Fehler aus, die durch Systemwechsel hervorgerufen werden.
Zukunft Mensch-Maschine-Interaktion
Menschen arbeiten bei den meisten Prozessen in Verwaltung und Back Office wenig symbiotisch mit Maschinen zusammen. Denn es gibt sie in der Praxis nicht: die EINE Lösung, die Routineabläufe im Unternehmen vollständig automatisch durchführt. Darum verbringen Fachkräfte zu häufig ihre Zeit damit, den Austausch von Daten von der einen zur anderen Maschine zu erledigen. Im Input Management – also der Konvertierung von Fachdaten aus Dokumenten und E-Mails in verwertbare Vorgangsinformationen – geschieht das besonders häufig. Hier bietet die Kombination von RPA (Robotic Process Automation) und KI Software (Künstliche Intelligenz) neue Chancen für eine Zukunft weisende Mensch-Maschine-Interaktion. Was Robotic Process Automation ist und wie sie funktioniert hatte ich bereits an anderer Stelle beschrieben. Mein Fachartikel zu diesem Thema für das DOK Magazin erscheint in wenigen Wochen; und wir werden hier darüber berichten.
RPA arbeitet über die "Präsentationsschicht"
Menschen stellen sich häufig vor, dass diese "Roboter" aufwendig im Systemumfeld integriert werden. Weit gefehlt: RPA greift – wie die Fachkraft am PC – über Anmelde-ID, Kennwort und Benutzeroberfläche in Abläufe ein. RPA benötigt keine Programmierlogik. Oder – für IT-Kenner unter Ihnen: RPA wirkt auf der Präsentationsschicht Ihrer Bestandssysteme und -Anwendungen. In der Unternehmenspraxis erledigt so dieser "Virtuelle Agent" täglich die Arbeit von bis zu 5 menschlichen Kollegen, wenn es um das Kopieren von Inhalten aus dem linken System und das Einfügen ins rechte System geht. Zwei Entwicklungen machen Robotic Process Automation dabei zu einer entscheidenden Lösung für die Vernetzung von Informationssystemen und Serviceprozessen.
"Hochvolumige" Prozesse in großen Unternehmen
Eine zunehmend zentralisierte Abwicklung von Kernprozessen (u.a. durch Mitarbeiter eines hierfür beauftragten Outsourcing Unternehmens / BPO) erhöht die Transaktionsmenge – und führt häufig dazu, dass RPA-Projekte innerhalb weniger Monate einen Return on Invest (ROI) generieren. Ein großer Energieversorger überführt jede Woche über 20.000 Korrespondenz-Vorgänge automatisiert ins Siebel CRM zur weiteren Vorgangsbearbeitung. In rd. 9 von 10 Fällen ganz ohne menschliches Zutun. Mitarbeiter können sich auf die inhaltliche und termingerechte Ausführung von Service-Aufträgen konzentrieren, anstatt manuell Routinevorgänge anzulegen.
Kombination mit KI Software
RPA alleine führt regelbasierte Aktionen zwischen Anwendungsgrenzen automatisiert durch. Richtig wertvoll wird RPA durch die Kombination mit KI Software. Denn dann wirkt RPA auch in jenen Domänen, in denen Regeln zwecklos sind: nämlich bei der Verarbeitung unstrukturierte Daten. Sie treten in Kundenkorrespondenz, Beschwerden, Urkunden auf – in E-Mails, Chats, Faxsendungen, Papier oder Sozialen Netzwerken. Lernfähige KI (Artificial Intelligence) kann das Verhalten von Mitarbeitern bei der Bewertung und Übertragung relevanter Fachdaten erlernen. Und somit die Symbiose zwischen Menschen und Robotern schaffen.
Anwender von kombinierten Lösungen berichten, dass sie Serviceprozesse schneller, zu wesentlich geringeren Kosten und mit verbesserter Servicequalität und Compliance abwickeln. Dieser Umstand wirkt insbesondere auf das Geschäftsmodell von BPO (Business Process Outsourcing). Wenn Routinetätigkeiten weitestgehend automatisiert durch RPA und KI abgewickelt werden, entfällt die organisierte "Leiharbeit" – und Fachkräfte profitieren.