Vor dem Durchbruch von Künstlicher Intelligenz und Robotic Process Automation (RPA) war der Kontakt zu Kunden lange Zeit eine überschaubare Angelegenheit. Im Wesentlichen existierten zwei Kanäle – Brief und Telefon. Hatten Kunden ein Problem, riefen sie an. Hatten sie ein größeres Problem, schrieben sie. Weitere Touchpoints gab es nicht. Auch die zeitliche Dimension war eine andere: Unternehmen bestimmten den Rhythmus. Doch dann kam mit dem Internet die Digitalisierung und der "Machtwechsel" in Richtung Kunde. Und das stellte die Abläufe im Kundenservice komplett auf den Kopf.
Und sie liegen richtig: Zumindest insofern, als dass der Kundenservice tatsächlich einen fundamentalen Wandel erlebt und weiter erleben wird. Experten sind sich in dieser Sache einig. Kommunikationswege haben sich vervielfacht – Kunden schreiben E-Mails, schicken Chatnachrichten, stellen Fragen über Social Media Kanäle und auch das Telefon bleibt ein begehrter Touchpoint. Weil es so einfach geworden ist, kommunizieren Verbraucher zudem wesentlich mehr. Daten über Daten, die immer schneller beantwortet werden müssen, überschwemmen die Posteingänge großer Serviceunternehmen. Nachrichten erreichen ihre Empfänger in Sekundenschnelle - diesen Standard zu halten, gehört zum guten Ton in der Wirtschaft.
Dass automatisierte Prozesse im Zuge der digitalen Transformation zunehmen und digitale Assistenten einen bedeutenden Teil unserer Arbeit übernehmen werden, wird kaum noch bestritten. Im Gegenteil: Der Wandel des Kundenservices ist bereits im vollen Gange. Die intelligente Automatisierung von Routineprozessen ist in vielen Unternehmen fest verankert. Chatbots haben ihren praktischen Reifegrad erlangt. Seit einiger Zeit werden sie für einfache Interaktionen im Service eingesetzt und in den kommenden Jahren viel hinzulernen. Für Service-Unternehmen heißt es ganz klar Umdenken und flexibel mit den Disruptionen unserer Zeit umgehen. Sonst wird ihr Kundenservice tatsächlich auf den Kopf gestellt.
Doch, mal ehrlich: Mit den technischen Entwicklungen der Zeit Schritt zu halten, ist eigentlich keine neue Aufgabe für Unternehmen. Eher eine kontinuierlich zu meisternde Herausforderung, der sich Entscheider seit je her stellen müssen.
Genau so wenig beschäftigen uns Künstliche Intelligenz und Automatisierung erst seit gestern. Schon in den siebziger Jahren ersetzten Maschinen den Menschen bei sich wiederholenden Arbeitsschritten. Die Entwicklung der Automatisierungstechnik befähigte Unternehmen, dem weltweit einsetzenden Massenkonsum zu begegnen und ihre Produkte schneller, kostengünstiger und fehlerfrei zu produzieren. Nahezu zeitgleich begannen sich Forscher zu fragen, wie sie Maschinen kognitive Fähigkeiten verleihen könnten. Softwareprogrammen wie “Deep Blue“ und „Eliza“ zählen zu wichtigen Errungenschaften, brachten es aber nie zur Praxisreife. Erst leistungsfähigere Computer mit höheren Rechnerkapazitäten, das Aufkommen des Internets, große Datenmengen und billige Datenressourcen führten ab Anfang des neuen Jahrtausends zum Wendepunkt in der Entwicklung. In immer kürzeren Abständen werden seitdem innovative kognitive Methoden entwickelt und neue Algorithmen programmiert.
Neu ist: Künstliche Intelligenz und Automatisierungstechnik werden heute miteinander kombiniert. Früher mussten Maschinen mit jeder Veränderung im Ablauf aufwendig neu programmiert werden. Kognitive Software hingegen steht für ein selbstlernendes System. Sie erweitert ihr Wissen mit jedem neuen Fall aus der Praxis. Sie trifft aus einer großen Menge an Informationen und Parametern eigenständige Entscheidungen.
Unternehmen, die mit KI-Software arbeiten, lagern also einen Teil ihrer Prozesse aus – nicht an externe Dienstleister sondern an Maschinen. Gemeint sind sich wiederholende Arbeitsschritte in der Vorgangsbearbeitung, die von KI-Software schlichtweg schneller und präziser durchgeführt werden. KI unterscheidet Routinevorgänge von Einzelfällen im Posteingang, leitet Daten weiter, extrahiert sie und setzt sie in nachgelagerten Prozessen oder Systemen ein.
Auch ihre Alarmfunktion kann zu einem wichtigen Tool im Kundenservice werden: Häufen sich Mitteilungen mit ähnlich negativem Sprachmuster – weil zum Beispiel ein bestimmtes Produkt nicht funktioniert – erhalten die Service-Mitarbeiter automatische eine Mitteilung. KI-Software arbeitet damit in erster Linie den Mitarbeitern eines Unternehmens zu, die sich – versorgt mit den relevanten Informationen - anspruchsvolleren Kundenanliegen zuwenden können.
Wie sich Menschen und Mitarbeiter im Unternehmen vernetzen lassen, wird in den kommenden Jahren ein entscheidendes Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen sein. Entscheider und Führungskräfte sollten sich dieser Frage persönlich annehmen und es weit oben auf die Agenda setzen.