Klug schreibt über KI – schon wieder?! Es schreiben doch schon alle über KI. So langsam zeigt der Hype um die Intelligente Automatisierung seine unangenehme Fratze: Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo über Künstliche Intelligenz (KI), über ihre Folgen und Auswirkungen oder eine neue Anwendung berichtet wird. Mich nervt es langsam gewaltig und damit bin ich bestimmt nicht allein.
Sie fragen sich, wie es ausgerechnet mich als Vorsitzenden des Arbeitskreises „Artificial Intelligence“ des größten europäischen Digitalverbandes Bitkom nerven kann? Ganz einfach. Mich ärgern nicht die inspirierenden Beiträge, geschrieben von klugen Experten, die mit ihren Botschaften auf wegweisende Innovationen und wichtige Entwicklungen aufmerksam machen möchten.
Das Schlimme sind die vielen Quacksalber und Wegelagerer aus den Niederungen der traditionellen Büro-Software-Wirtschaft, die sich mit Federn schmücken, weil sie nun „mitplaudern“ über die Neuerungen der KI. Menschen, die bis vor wenigen Monaten rein gar nichts mit Maschinellem Lernen und Algorithmen zu schaffen hatten. Die Konsequenz ihres „Plauderns“: Es wabert gefährliches Halbwissen durch die Chefetagen deutscher Unternehmen.
Halbwahrheiten führen Unternehmen auf Um- und Irrwege, die sie nicht gehen müssten. Anstatt sich auf marktfähige Produkte und Services zu fokussieren, halten sie an Altem fest und lassen sich auf Anwendungen ein, die längst keine Neuerungen mehr bieten - ganz im Gegenteil: Sie führen in die Sackgasse. Wie will sich die deutsche Wirtschaft zur führenden KI-Nation entwickeln, wenn ihre Unternehmen mit überholten Anwendungen, Produkten und Services arbeiten?
Lassen Sie uns also die Halbwahrheiten und falschen Versprechungen der Wegelagerer entlarven.
Vieles wird einem heute als intelligent verkauft, das weit entfernt ist von maschineller Intelligenz. Vorneweg Anwendungen, die auf Robotic Process Automation basieren, von KI keine Spur. Was hat Robotic Process Automation (RPA) mit KI zu tun? Nichts!
RPA kopiert strukturierte Daten von links nach rechts. Verstehen Sie mich nicht falsch: RPA ist nützlich, sehr nützlich. Sie hat die traditionellen Makro- und Script-Lösungen abgelöst. Ohne dass hierfür eine „technische Schnittstelle“ benötigt wird, erfasst sie strukturierte Dokumente und nimmt uns damit unbeliebte Routinearbeiten ab. RPA wird zurecht sehr erfolgreich in der Dokumentenverarbeitung eingesetzt.
Doch eines muss klar sein: Für sich alleine genommen ist RPA ein Roboter, der einen sich wiederkehrenden, regelbasierten Schritt durchführt. Schneller als wir es könnten, das ist wertvoll. Aber mehr auch nicht.
Mit maschineller Intelligenz hat RPA nichts zu tun. Wir kennen ihre Formel seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Erinnern wir uns: Heute ist 2019. Wer RPA und KI in einem Satz erwähnt, liegt 40 Jahre zurück mit seiner Entwicklung. Jede Excel-Tabelle arbeitet mit RPA.
Die Königsdisziplin ist teil(semi)- und unstrukturierte Daten automatisiert zu erfassen. Maschinelle Intelligenz beginnt mit der Erfassung, dem Verständnis und der Analyse teilstrukturierter und unstrukturierter Daten. Auch hier ist RPA im Spiel, aber immer in Kombination mit KI. Mit KI-Software endet die Automatisierung von Prozessen nicht bei Rechnungen, Formularen und sich wiederholenden Prozessen.
Mit KI-Software erschließen Unternehmen nahezu alle Daten, von denen sie umgeben sind. KI erfasst die Inhalte aus E-Mails, aus Chats. Sie greift auf Archive zu, erschließt relevante Daten und erfasst das wahre Datengold. KI beobachtet menschliches Verhalten und zieht daraus relevante Rückschlüsse.
RPA unterstützt Ihre Mitarbeiter. Mit KI arbeiten Ihre Mitarbeiter Hand in Hand. Richtig eingesetzt entsteht eine enge Zusammenarbeit. Das ist der feine Unterschied.
Werden in Ihrem Unternehmen größtenteils und in großem Umfang strukturierte Daten verarbeitet? Dann kommen Sie sicherlich gut mit RPA zurecht. Aber sprechen Sie bitte an dieser Stelle nicht von maschineller Intelligenz.
Fraglich ist: Gibt es heute überhaupt noch Unternehmen, die nicht mit unstrukturierten Daten operieren? Die diese Daten nicht analysieren und besser verstehen müssten, um moderne und zeitgerechte Produkte, Services und Ideen entwickeln zu können? Ich glaube nicht. Maschinelle Intelligenz ist Teil unseres Alltages geworden, sie aus Ihrem beruflichen Alltag zu verbannen zu wollen, wäre ein grober Fehler mit langfristigen Folgen.